Darstellung eines Patientenzimmers für adipöse Menschen ©UK NRW | BGW
Stand: 01/2019

PB Pflegebereiche für adipöse Patientinnen und Patienten

Die Versorgung von adipösen Patienten und Patientinnen stellt in vielen Kliniken zunehmend ein Problem dar.

Unter adipösen Patientinnen und Patienten werden Menschen verstanden, deren Körper-Masse-Index (Body Mass Index BMI) den Wert von 30 kg/cm2 übersteigt. Diese Personen sind aufgrund ihrer Körpermaße und ihres Gewichtes nur schwer zu versorgen. So sind z. B. die Standardhilfsmittel nur für Lasten bis 120 kg ausgelegt. Für diese Patientinnen und Patienten ist eine spezielle Geräte- und Instrumentenausstattung erforderlich. Die Deutsche Adipositas Gesellschaft (DAG) gibt in regelmäßigen Abständen erweiterte und aktualisierte Leitlinien für die Behandlung heraus, die teilweise auch auf die bauliche Ausstattung eingehen.

In den folgenden Punkten werden die Ausstattungsmerkmale beschrieben, die sich von den Anforderungen an allgemeine Pflegestationen unterscheiden, welche für Patientinnen und Patienten mit Körpergewichten von ca. 120 kg ausgestattet sind.

Grundlegend sind bei der Planung von Adipositas-Pflegebereichen folgende Anforderungen in Bezug auf das gesamte Gebäude zu prüfen:

  • Belastbarkeit der Decke: während die Belastbarkeit der Decken, wenn sie gemäß den Bauordnungen der Länder in Verbindung mit DIN EN 1991-1-1, "Allgemeine Einwirkungen auf Tragwerke", erstellt wurde, mit einer zulässigen Einzellast von 4 kN/m2 ausreichend sein dürfte, wäre das bei Altbauten zu prüfen.
  • Die Rollen von Schwerlastbetten können eine Belastung von über 6 N/mm2 darstellen. Daher muss ein spezieller Fußbodenbelag verlegt werden, da handelsübliche Beläge gemäß DIN EN 24343-1, "Elastische und Laminat Bodenbeläge - Bestimmung des Eindrucks" nur mit 5 N/mm2 belastbar sind.
  • Die Zufahrtswege zur Aufnahme/Notaufnahme für die Schwerlastliegen/-betten müssen frei von Schwellen und Rampenneigungen über 5 % Steigung sein. Eingebaute Gitterroste müssen ausreichend belastbar sein, sollten aber möglichst vermieden werden, um keinen Rollwiderstand zu erzeugen
  • Verkehrswege: Die Verkehrswege im Gebäude sollten mit Ruhepunkten in geeigneter Entfernung ausgestattet sein, damit diese Personen, wenn sie noch gehfähig, aber konditionell nicht belastbar sind, sich zwischendurch ausruhen können. Weitere Hinweise bietet die Technische Regel für Arbeitsstätten ASR V 3 a.2 Barrierefreie Gestaltung von Arbeitsplätzen und die DIN 18040 "Barrierefreies Bauen - Planungsgrundlagen - Teil 1: öffentlich zugängliche Gebäude". Deren Angaben betreffen aber zumeist normalgewichtige Rollstuhlfahrer und sollten für zu behandelnde Personen mit Adipositas erhöht werden.
  • Es ist zu überprüfen, ob alle Geländer/Handläufe und weitere Ausstattungsgegenstände wie z. B. Sitzgelegenheiten im Verlauf der Verkehrswege stabil genug sind. Für Handläufe wird eine zulässige Belastung von 500 kg/m empfohlen. Aufzüge müssen für mehr als 1000 kg ausgelegt sein. Die Fläche sollte über das Mindestmaß der Bauordnungen der Länder (1,10 x 2,10 m) hinausgehen. Empfohlen wird eine Fläche von 2,0 m x 3,0 m, um das Schwerlastbett mit allen Zusatzgeräten, den zu Behandelnden und mindestens zwei Begleitpersonen aufnehmen zu können.
  • Im Rettungswegekonzept müssen auch diese stark übergewichtigen Personen berücksichtigt werden. Dabei stellen sich z. B. folgende Fragen:
    1. Sind die Anleiterpunkte der Feuerwehr für diese Gewichte und Körpermaße ausgelegt?
    2. Passen die Schwerlastbetten oder die Rettungsmittel durch alle Türen im Verlauf des Rettungsweges?
  • Ferner sind die übrigen Umgebungsbedingungen in Zugangs- und Aufenthaltsbereichen des Krankenhauses zu prüfen:
    1. Sind die Umkleidekabinen in den Diagnostikbereichen ausreichend bemessen?
    2. Sind die Besuchertoiletten ausreichend dimensioniert und belastbar?
    3. Sind die Sitzgelegenheiten in Wartebereichen und Fluren ausreichend dimensioniert und stabil?
  • Da stark übergewichtige Patientinnen und Patienten auch während der Behandlung versterben können, müssen die Transportwege den breiteren und längeren Transportmitteln entsprechen. Für die Kühlfächer ist mehr Platz einzuplanen, da diese Verstorbenen überdurchschnittliche Mengen an Flüssigkeiten absondern und deshalb größere Behältnisse benötigen. Hinweise zur Aufbewahrung von Verstorbenen finden sich auch in der Pathologie.

Unter Beachtung dieser Umstände können stark übergewichtige Patientinnen und Patienten überhaupt erst im jeweiligen Krankenhaus aufgenommen werden. Die Geräte in den Diagnostik- und Therapiebereichen müssen ebenfalls den zu erwartenden Gewichten entsprechen, was wegen der größeren Maße zur Überprüfung der Raummaße auch in diesen Bereichen führt. Neben der besonderen baulichen Ausgestaltung des Pflegebereiches, insbesondere der Patientenzimmer einschließlich Sanitärraum, müssen auch größere Lagerflächen für die umfangreichen Geräte, Verbrauchs- und Behandlungsmaterialien eingeplant werden.


Patientenzimmer

Um den Zugang mit Spezialbetten zu ermöglichen, müssen die Türen mindestens 1,25 m, besser 1,40 m breit sein. Die erforderlichen freien Bewegungsflächen führen bei den benötigten Spezialbetten von 1,10 bzw. 1,40 x 2,20 m und Stühlen von 0,80 m Breite und 0,60 m Tiefe in Anlehnung an DGUV Information 207-016 "Neu- und Umbauplanung im Krankenhaus unter Gesichtspunkten des Arbeitsschutzes - Basismodul" zu einem Raumbedarf von 13 bis 15 m2 pro Bett. Dabei sollte die Mindestbreite von Bewegungsflächen 1,40 m nicht unterschreiten.

Es empfiehlt sich die Türen zweiflügelig auszuführen. Die optimale Aufteilung wäre 1/3 zu 2/3, damit für das Pflegepersonal nicht immer die gesamte Tür geöffnet werden muss.

Entsprechend ausgelegte Deckenliftsysteme sind dabei aus ergonomischen Gründen mobilen Patienten-Hebeliftern vorzuziehen und reduzieren außerdem den Flächenbedarf pro Bett. Diese Systeme können in Portalbauweise unabhängig von der Belastbarkeit der Decken errichtet werden.

Gemäß DIN 1946-4, "Raumlufttechnische Anlagen in Gebäuden und Räumen des Gesundheitswesens", Tabelle 1 ist für Patientenzimmer bei einer Raumlufttemperatur von 22 bis 26 °C und einer Luftfeuchte von 30 % bis 60 % ein Außenluftstrom von 40 m3/h pro Person, bzw. > 100 m3/Patient bzw. Patientin erforderlich. Infolge der größeren Körperfläche dieser Patientinnen und Patienten und der damit verbundenen Transpiration und Wärmeabgabe, sowie einer stärkeren Geruchsbelastung wäre es sinnvoll, den Luftstrom für diese Pflegezimmer schon in der Planung um ca. 30 % höher anzusetzen, damit die größeren Lüftungsquerschnitte berücksichtigt werden. Eine nachträgliche Erhöhung der Strömungsgeschwindigkeit um den nötigen Luftstrom zu erzielen, würde zu unzulässiger Zugluft führen.

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Portalmontage eines Patienten-Deckenlifters

Grafik Sanitärraum für Adipositaspatienten

Sanitärraum für Adipositaspatienten

©Birte Alber

Bäder und Toilettenräume

Pflegebäder sollten zur Verkürzung der Patiententransfers unmittelbar neben dem Patientenzimmer angeordnet werden.

Die Türbreite muss mindestens 1,25 m betragen. Die Türen der Sanitärräume dürfen aus Gründen der Patientensicherheit nur nach außen aufschlagen.

Je nachdem, ob eine Dusche oder ein Wannenbad vorgesehen ist, benötigt man eine Grundfläche von 10 bis 12 m2 mit Mindestbewegungsflächen von 1,40 m Breite. Wenn diese Räume für zu Pflegende mit Adipositas in Schwerlastrollstühlen vorgesehen sind, sollten diese Maße erhöht werden.

Duschen sollten ebenerdig eingebaut werden. Die DIN 18040 "Barrierefreies Bauen - Planungsgrundlage - Teil 1: öffentliche Gebäude" bietet Anhaltswerte bezüglich der Dimensionierung der Badausstattung, welche für diese Personengruppe noch erhöht werden sollten.

Die ausreichende Belastbarkeit der übrigen Badausstattung ist zu berücksichtigen. Nach einschlägigen Normen halten die Toilettenbecken Belastungen bis 400 kg stand. Die Wandbefestigungen müssen mithilfe von Ständerwerken, wie sie die einschlägigen Beckenhersteller anbieten, nachgerüstet werden.

Diese Toilettenbecken müssen etwa 20 cm weiter in den Raum hinein ragen, um den Körpermaßen dieser Personen gerecht zu werden. Auf dem internationalen Markt stehen außerdem Toilettensitze zur Verfügung, die sich in der Breite variieren lassen. Ferner sind motorisch angetrieben Aufstehhilfen, fest montiert hinter dem WC-Sitz, zur Entlastung des Pflegepersonals empfehlenswert. Eine weitere Entlastung für das Personal stellt der Einbau von Duschvorrichtungen für die Intimreinigung dar.

Auch in diesen Räumen ist die erhöhte Belastbarkeit des Bodenbelags für den Einsatz von Patientenhilfsmittel zu beachten.

Es empfiehlt sich bei der Montage von Patienten-Deckenliftern, diese für die gemeinsame Benutzung im Patientenzimmer und im Bad auszulegen. Türsturze sind dabei kein Hindernis mehr für moderne Systeme und müssen nicht erweitert werden. (siehe Bild 5)

Deckenliftsystem mit Umhängemöglichkeit des Liftertuches am Türsturz

Flure

Bei der Gestaltung der Flure ist vor allem auf die freie Flurbreite von mindestens 2,60 m (bei 1,20 breiten Betten), besser 2,80 m (bei ca. 1,40 m breiten Betten) zu achten, damit man ein Schwerlastbett aus dem Zimmer heraus schieben kann. Wenn mit Betten-Gegenverkehr zu rechnen ist und zumindest ein Bett ein Schwerlastbett sein kann, sollte der Flur mehr als 2,80 m breit sein.

In Anlehnung an Abb. 1 des Anhangs A2.3 der ASR V 3 a.2 und unter Berücksichtigung der breiteren Betten und Rollstühle für zu Behandelnde mit Adipositas müssten auf der Öffnungsseite von Türen eine Fläche von 2,10 x 2,10 m und auf der anderen Seite von 1,80 x 1,50 m (Breite x Tiefe) freigehalten werden.

Beim vorgesehenen Einsatz von Bettentraktoren ("Mover"), welcher aus ergonomischen Gründen sehr zu empfehlen ist, müssen alle genannten Maße nochmals um ca. 0,50 m erweitert werden.


Bettentraktor ("Mover")

Alle Bedienungselemente, Türgriffe, usw. müssen vom Rollstuhl aus erreichbar sein.

Die Fußböden sollten keine Stufen oder Neigungen über 5 % Steigung aufweisen. Bodenbeläge müssen Belastungswerte von mindestens 6 N/mm2 aufweisen. Die Trennfugen der Beläge sollen möglichst außerhalb der Betten-Fahrwege verlegt werden, um den Verschleiß zu mindern.

Die breiteren Türmaße sind auch aus Gründen der Bettendesinfektion erforderlich, damit diese in entsprechende Arbeitsräume gefahren werden können. Die Behelfslösung, die Schwerlastbetten wegen mangelnder Türbreite in den Zimmern zu montieren und dort dann auch zu reinigen und desinfizieren, führt zu erhöhten Raumluftbelastungen und ist nur im Einzelfall tragbar.





Vergleich Allgemeinstationen/Bereiche für Adipositaspflege


Werte für AllgemeinstationenEmpfohlene Werte für Pflegebereiche von Adipositaspatienten/patientinnen
WerteLiteratur
Türbreite1,25 mDGUV Information 207-0161,40 m
Flurbreite1,80 m bzw.
2,25 m bei
Bettentransport
ASR A 1.82,6 m bzw.
2,8 m bei 1,4 m
breiten Betten
Rettungswege1,00 mASR A 2.31,30 m
Zimmergröße

freie Bewegungsfläche
10 m2 oder
8 m2/Bett
1,50 x 1,50 m
Kapitel 1 Allgemeine Pflege
DGUV Information 207-016
21 m2 oder 15 m2/Bett
Badgröße
freie Bewegungsfläche
6 m2
1,50 x 1,50 m
Kapitel 4 Geriatrie
DGUV Information 207-016
10 m2
größer
1,50 x 1,50 m
Belastungswerte für Haltegriffekeine Angabenkeine AngabenZugkraft 0,5 kN
Fahrstuhlmaße1,10 x 2,10 mISO 4190-12,00 x 3,00 m
Luftstrom100 m3/h und Patient/PatientinDIN 1946-4130 m3/h und Patient/Patientin

Quellen

Webcode: w1058