In einem Krankenhaus arbeiten viele Berufsgruppen: Ärzte, Gesundheits- und Krankenpflegekräfte, Sozialarbeiter und Psychologen, Hebammen, Physiotherapeuten, Küchenpersonal, Reinigungskräfte und viele mehr. All diese Menschen sind unterschiedlichen Situationen und Arbeitsbedingungen ausgesetzt. Daraus resultierende Belastungen werden je nach persönlicher seelischer und körperlicher Verfassung unterschiedlich gut verarbeitet. Burn-out kann somit jeden Menschen treffen, egal in welchem Beruf oder in welcher Position er arbeitet. Im folgenden Text werden zur Verdeutlichung jeweils Beispiele aus dem Pflegebereich herangezogen.
Aus dem Englischen übersetzt heißt „burn out“ so viel wie „ausbrennen“ oder „ausgebrannt sein“. Diese sinnbildliche Beschreibung bedeutet auf den Menschen bezogen einen Zustand völliger geistiger und körperlicher Erschöpfung, nachdem man leidenschaftlich für etwas „Feuer und Flamme“ war.
Burn-out tritt nicht plötzlich auf, sondern ist das Ergebnis eines längeren schleichenden Prozesses, oft über Jahre hinweg. Typisch für die Erkrankung sind sehr unterschiedliche und häufig entgegengesetzte Anzeichen: einerseits große Freude am Beruf und hohe Leistungsbereitschaft, andererseits täglicher Widerwille, zur Arbeit zu gehen; große Müdigkeit und Erschöpfung; Schuldgefühle und Gleichgültigkeit; sozialer Rückzug; Gefühle von Versagen und Mutlosigkeit, Ärger und Sinnlosigkeit. Zu den charakteristischen Auffälligkeiten eines Burn-out zählt die Fehleinschätzung und Selbsttäuschung der Betroffenen über ihre Situation.
Die oben genannten Gefühls- und Verhaltensbeschreibungen können durch unterschiedlichste körperliche Symptome begleitet werden, die im Einzelnen aber ebenso andere Gründe haben können. Aufgrund der Vielzahl der möglichen und ggf. gleichzeitig vorliegenden Symptome spricht man auch von „Burn-out-Syndrom“. Durch die Unschärfe der Krankheitssymptome ist es für Ärzte oft sehr schwer, ein Burn-out eindeutig und frühzeitig zu diagnostizieren, zumal sie in der Regel nicht die Zeit haben, sich intensiv nach den beruflichen oder privaten Hintergründen ihrer Patienten zu erkundigen.
Beschreibung des Burn-out
Eine eindeutige Definition ist bis heute in der wissenschaftlichen Literatur noch nicht zu finden.
Allerdings haben die Fachleute neben den o. g. körperlichen Symptomen drei Hauptmerkmale erkannt, die bei einer Burn-out-Diagnose maßgeblich auftreten:
Unter emotionaler Erschöpfung versteht man das Gefühl von Ausgelaugtsein, Frustration und Unzufriedenheit. Weitere Anzeichen sind eine erhöhte Reizbarkeit und gemindertes Mitgefühl, Antriebsschwäche, gedämpfte emotionale Reaktionen und ein Gefühl ständiger Müdigkeit. Hinzu kommen Versagens- und Schuldgefühle gegenüber Patienten und Kollegen, wenn die Gründe für die Veränderungen in der eigenen Person und nicht in den äußeren Umständen gesucht werden.
Gerade in Pflegeberufen sind Einfühlungsvermögen und Anteilnahme gefordert, andererseits bedarf es aber auch einer gesunden emotionalen Distanz, um professionell zu arbeiten und selbst gesund zu bleiben. Diese Abgrenzungsleistung ist für Pflegepersonal oft eine Gratwanderung, die bei großer Arbeitsanforderung zum zweiten Merkmal des Burn-out, der Depersonalisation, führen kann.
Die Depersonalisation zeichnet sich durch immer weitreichendere Distanzierungsbedürfnisse sowie ein reduziertes Engagement für seine Patienten und Mitmenschen aus. Es entwickelt sich eine zunehmend negative und oft zynische Einstellung zu Kollegen und Patienten, aber auch zum Partner, der Familie und dem Freundeskreis. Der Betroffene reagiert gleichgültig auf Patienten und Mitmenschen, lässt nichts mehr „an sich rankommen“ und zieht sich mehr und mehr zurück.
Die abnehmende Leistungsfähigkeit wird meistens erst in den späteren Phasen eines Burn-out sichtbar. Sie zeigt sich z. B. durch einen Anstieg von Krankheitstagen, die Zunahme von Fehlern, zunehmende Resignation und Unkonzentriertheit, das Fehlen von Erfolgserlebnissen bei gleichzeitig großem Arbeitseinsatz und den Wunsch, alles perfekt zu machen und für die Patienten da zu sein.
Der Burn-out-Prozess
Burn-out ist ein in Phasen verlaufender Prozess, der sehr verschiedenartig ablaufen kann. Die Phasen können unterschiedlich lang und unterschiedlich ausgeprägt sein; zudem können die Symptome in Ausprägung und Erscheinung variieren und phasenübergreifend auftreten.
In dieser Phase ist den wenigsten Betroffenen ihre Situation bewusst. Gerade Menschen in „typischen“ Burn-out-Berufen (Lehrer, Manager, Ärzte, Pflegeberufe, beratende Berufe) haben gelernt, sich trotz frustrierender Arbeitsbedingungen und daraus resultierender Unzufriedenheit zurückzunehmen und „das Letzte zu geben“. Sie sind es gewohnt, mehr Zuspruch und Ermutigung zu geben, als sie an Anerkennung und Lob zurückbekommen. Diese Phase wird begleitet von dem Gefühl der Verärgerung und äußert sich z. B. in aggressiven Verhaltensweisen. In der ersten Phase kommt es vermehrt zu Schlafstörungen, Schmerzen aller Art, die nicht medizinisch belegbar sind, Gedankenenge und Energieverlust. Je nach Willenseinsatz kann diese Phase Jahre, im Extremfall sogar Jahrzehnte dauern.
Die zweite Phase ist geprägt durch den Versuch, die eingeschränkte Leistungsfähigkeit durch übermäßige Aktivität und Mehrarbeit auszugleichen. Distanz zu anderen und zu sich selbst vermittelt scheinbare Ruhe und Schutz. Der Betroffene nimmt sich selbst nicht mehr richtig wahr. Es kommt zu Fluchtverhalten z. B. durch exzessiven Sport oder absolute Bewegungsminimierung, zu Konsumverhalten und Süchten nach Alkohol, Tabak oder Medikamenten. Das Gefühl von Unzulänglichkeit und ständigem Zeitmangel kann zu vermehrten Konzentrations- und Gedächtnisproblemen führen. Es treten häufig Reizbarkeit und Schuldgefühle gegenüber den Mitmenschen auf, weil die Arbeit im Vordergrund steht und soziale Kontakte in Familie und Freundeskreis vernachlässigt werden. Diese Phase wird begleitet von einem Gefühl der Angst, weil man sich selbst nicht mehr richtig zu kennen scheint und keine Handlungsoptionen vorhanden sind, die aus der Misere herausführen könnten. Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes, vor dem Verlust sozialer Kontakte und vor Krankheit führt dazu, dass die Betroffenen sich weiter quälen und sich einreden, sie müssten die Erwartungen, die sie an sich selbst stellen und von außen an sie herangetragen werden, erfüllen. Das Ergebnis ist ein immer schnelleres und tieferes Versinken in die Erschöpfungsspirale bei gleichzeitigem Gewahrwerden, dass die ursprüngliche Begeisterung und Hingabe für den Beruf nicht zur gewünschten Zufriedenheit führt.
Diese Phase ist gekennzeichnet durch einen spürbaren Motivations- und Interessenverlust, starke Stimmungsschwankungen, Apathie und/oder quälende innere Unruhe bis hin zu suizidalen Gedanken. Die Lebens- und Berufsplanung wird als verfehlt erlebt, es herrscht Aussichtslosigkeit und Frustration. Die eigentlichen Burn-out-Symptome werden in dieser Phase häufig von anderen, begleitenden Phänomenen wie Depression, Sucht oder Angsterkrankungen überdeckt. Im fortgeschrittenen Burn-out kann es zu einem körperlichen vitalen Notfall kommen, wenn der Körper eine „innere Notbremse“ zieht. Am häufigsten treten hier Symptome wie Herzinfarkt und nächtliche Panikattacken auf. Es kann auch zu einem emotionalen „Einfrieren“ kommen; der Betroffene steht dann einfach nicht mehr auf oder wird von nicht enden wollenden Weinkrämpfen überwältigt. Ein weiterer vitaler Notfall ist der Kontrollverlust, im Zuge dessen es häufig zu Suizidversuchen oder schweren Unfällen kommt.
Was kann die Organisation tun?
Die Organisations- und Arbeitsbedingungen haben Einfluss darauf, ob ein Mitarbeiter sich emotional und körperlich belastet fühlt oder Anforderungen erfolgreich bewältigt und langfristig gesund bleibt.
Folgende Faktoren können dabei eine Rolle spielen:
Führungskräfte sollten über die Ursachen und ersten Anzeichen eines Burn-out informiert sein, um sowohl bei sich selbst als auch bei ihren Mitarbeitern frühzeitig auf Symptome aufmerksam zu werden und ggf. handeln zu können.
Je weniger Patienten von einem Mitarbeiter betreut werden müssen, desto geringer ist die Belastung. Das bedeutet auch mehr Zeit pro Patient und damit die Möglichkeit, auf die Erwartungen der Patienten und anderer Personen emotional einzugehen, ohne sich selbst auszubeuten.
Gelegenheiten, sich bewusst für einige Zeit aus dem Patientenkontakt zurückzuziehen, wirken einer Erschöpfung entgegen. Selbstverständlich sind hiermit nicht Zigaretten- oder Kaffeepausen gemeint, sondern Zeiten, in denen die Beschäftigten andere Arbeiten ohne Patientenkontakt erledigen oder sich bewusst für einige Zeit entspannen und emotional auftanken können.
Im Rahmen der organisatorischen Möglichkeit können den Mitarbeitern Freiräume geschaffen werden, um ihren Handlungsspielraum zu erweitern und ihnen Mitspracherecht einzuräumen. Hier sollten auch individuelle Interessen der Mitarbeiter Berücksichtigung finden.
Das Berücksichtigen ergonomischer Aspekte und eine angenehme Arbeitsumgebung haben positive Auswirkungen auf das Wohlbefinden der Mitarbeiter. In der Pflege kann z. B. der Rücken durch Anwendung von Hilfsmitteln erheblich entlastet werden. Entscheidend ist, dass diese möglichst direkt beim Patienten bereitgestellt werden. Positiv sind aber auch angenehm eingerichtete Arbeits- und Pausenräume.
Die Mitarbeiter sollten die Möglichkeit haben, stark körperlich oder emotional belastende Tätigkeiten zu zweit durchzuführen. Durch die kollegiale Unterstützung können den Mitarbeitern solche Tätigkeiten erleichtert werden. Eine zeitliche Eingrenzung solcher Arbeiten ist sinnvoll, um starken Belastungen vorzubeugen.
Gerade in helfenden und pflegenden Berufen sollten die Beschäftigten die Möglichkeit erhalten, Teilzeitstellen einzunehmen oder ihre Arbeitszeit stärker zu variieren, um Erschöpfung entgegenzuwirken und persönlichen Bedürfnissen Raum zu geben. Auch die Möglichkeit einer kompletten Auszeit, z. B. in Form eines unbezahlten Urlaubs, kann sehr entlastend wirken.
Eine sehr gute Möglichkeit, Burn-out vorzubeugen, ist die Information und Aufklärung der Mitarbeiter und Führungskräfte über die Erkrankung. Spezielle Trainings- und Informationsveranstaltungen könnten bereits in die Ausbildung einbezogen werden, um gerade Berufsanfängern ein realistisches Bild über den von ihnen gewählten Beruf zu vermitteln und sie besser auf Anforderungen vorzubereiten. Durch solche Trainings kann auch berufserfahrenen Mitarbeitern ein besserer Umgang mit belastenden Situationen vermittelt werden.
Gespräche mit externen Supervisoren oder Teamkollegen, die über reine Fallbesprechungen hinausgehen, können hilfreich sein, emotional belastende Situationen zu verarbeiten. Die Möglichkeit der Aussprache über Arbeitskonflikte, Ängste, Schwierigkeiten mit Kollegen und Patienten oder auch über persönliche Probleme hat große entlastende Wirkung.
In ein gut funktionierendes soziales Netzwerk eingebunden zu sein verleiht das Gefühl von Wertschätzung, Anerkennung und Zufriedenheit. Voraussetzung hierfür ist eine transparente und störungsfreie Kommunikation untereinander.
Was kann der Einzelne tun?
Ist man sich der Gefahr des Ausbrennens und seiner eigenen Bewältigungsstrategien und Persönlichkeitsmerkmale bewusst, kann man seine Grenzen besser erkennen und rechtzeitig gegenwirken.
Jeder Mitarbeiter sollte sich bewusst sein, dass er selbst für seine Verhaltensweisen verantwortlich ist. Für ein gesundheitsbewusstes Leben und Arbeiten muss auch die innere Bereitschaft vorhanden sein.
Das Erkennen und Übernehmen der eigenen Verantwortung ist der erste Schritt, um konstruktive Wege gegen das Ausbrennen zu suchen. Hierzu zählen z. B. Fähigkeiten wie das Treffen von gesundheitsfördernden Entscheidungen, die Wahrnehmung von eigenen Grenzen und das Mitgestalten positiver Arbeitsbedingungen.
Eine sinnvolle Trennung von Arbeitszeit und Freizeit trägt dazu bei abzuschalten. Eine befriedigende Freizeitgestaltung lenkt die Gedanken von der Arbeit ab und kann hilfreich sein, um belastende berufliche Tätigkeiten auszugleichen.
Regelmäßige Pausen zur Erholung, in denen sowohl Bewegung, Entspannung als auch gesundes Essen eingeplant werden, sind hilfreich, um sich von beruflichen Anspannungen zu lösen. Sie geben neue Energie, um sich in der Freizeit unbelastet der Familie und dem Freundeskreis widmen zu können.
Eine bewusste, positive Gestaltung seines sozialen Netzes wirkt einem Ausbrennen entgegen. Besonders wohltuend sind soziale Kontakte, in denen Bestätigung, Unterstützung und Anerkennung erfahren wird.
Menschen in einem Burn-out-Prozess glauben häufig, sie selbst seien die Ursache für ihre Unzulänglichkeiten und Schwächen. Ein Ausbrennen ist aber das Ergebnis vieler Faktoren, die in Wechselwirkung zueinander stehen. Eine Rolle spielen immer auch Bedingungen aus der sozialen Umwelt des Betroffenen sowie gesellschaftliche Einflüsse. Man sollte sich also nicht fragen: „Was stimmt nicht mit mir?“, sondern vielmehr: „Welche Faktoren tragen zu meiner Situation bei und welche kann ich ändern oder beeinflussen?“.