Der Betriebsrat im Arbeits- und Gesundheitsschutz
Stand: 11/2020

BÜT Der Betriebsrat im Arbeits- und Gesundheitsschutz

Die nachfolgenden Informationen über die Aufgaben, Rechte und Pflichten der Betriebsräte im Arbeits- und Gesundheitsschutz sind zum großen Teil aus der Reihe BGHW-Wissen, W46 Teil 1-4 ″Der Betriebsrat im Arbeitsschutz″ der Berufsgenossenschaft für Handel und Warendistribution entnommen.

Der Betriebsrat hat gemäß Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) besondere Aufgaben im Arbeitsschutz. Vor allem wacht er über die Durchführung des Arbeitsschutzes. Oft erfährt er frühzeitig von Belastungen und Gefährdungen, denen die Beschäftigen ausgesetzt sind. Er trägt dazu bei, dass der Arbeitgeber Maßnahmen zur Belastungsreduzierung und zur Beseitigung von Gefährdungen plant und umsetzt. So kann er wesentlichen Einfluss auf die Verbesserung von Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz nehmen.

Aufgaben des Betriebsrates im Arbeitsschutzausschuss

Gemäß § 11 Arbeitssicherheitsgesetz (ASiG) hat der Arbeitgeber in Betrieben mit mehr als zwanzig Beschäftigten (Vollzeitäquivalente) einen Arbeitsschutzausschuss zu bilden, der sich aus folgenden Mitgliedern zusammensetzt:

  • dem Arbeitgeber oder einem von ihm beauftragten Stellvertreter,
  • zwei vom Betriebsrat bestimmten Betriebsratsmitgliedern,
  • dem Betriebsarzt,
  • der Fachkraft für Arbeitssicherheit und
  • den Sicherheitsbeauftragten (nach § 22 SGB VII) bzw. 2-4 Delegierte;
  • eventuell beratend weitere Fachleute wie Hygienebeauftragte, Technische Leiter oder Brandschutzbeauftragte und die Schwerbehindertenvertretung (§ 95 Abs. 4 SGB IX).

Der Arbeitsschutzausschuss hat die Aufgabe, Anliegen zum Arbeitsschutz zu beraten. Hierzu gehören unter Berücksichtigung der jeweiligen betrieblichen Gegebenheiten:

  • Maßnahmen für besondere Personengruppen, wie zum Beispiel Auszubildende, geringfügig Beschäftigte, neue Mitarbeiter, Schwerbehinderte, ausländische Arbeitnehmer zu beraten,
  • die Durchführung und die Ergebnisse der Gefährdungsbeurteilung zu beraten,
  • Vorschläge für betriebliche Arbeitsschutzmaßnahmen zu erarbeiten,
  • Investitionen für den betrieblichen Arbeitsschutz zu erörtern,
  • das betriebliche Unfallgeschehen einschließlich der arbeitsbedingten Erkrankungen regelmäßig auszuwerten,
  • sich an der Durchführung und Auswertung der regelmäßigen Betriebsbegehungen zu beteiligen,
  • Vorschläge für die Durchführung betrieblicher Präventionsprogramme zum Arbeits- und Gesundheitsschutz, zum Beispiel ″rückengerechtes Arbeiten″, ″Prävention von Gewalt und Aggression″ oder ″Hautschutz″ zu beraten,
  • Vorschläge für die Beteiligung an überbetrieblichen Arbeitsschutzkampagnen zu beraten sowie
  • Vorschläge zur Auszeichnung von Mitarbeitern, die sich um die Arbeitssicherheit und den Gesundheitsschutz besonders verdient gemacht haben, zu unterbreiten.
 

Der Arbeitsschutzausschuss tritt mindestens vierteljährlich zusammen. Er sollte sich eine Geschäftsordnung geben und die Sitzungsergebnisse protokollieren.

Der Arbeitgeber kann eine bevollmächtigte Stellvertretung bestimmen, die ihn dauernd oder für einzelne Sitzungen vertritt. Die im Arbeitsschutzausschuss tätigen Fachkräfte für Arbeitssicherheit und Betriebsärzte können nicht zu Stellvertretern des Arbeitgebers im Ausschuss ernannt werden.

Überwachung

Der Betriebsrat hat laut Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) das Recht und die Pflicht, darüber zu wachen, dass die Vorschriften zum Arbeitsschutz sowohl vom Unternehmer als auch von den Beschäftigten eingehalten werden. Ebenso kann er entsprechende Verbesserungsmaßnahmen beim Unternehmer beantragen.

Trotz der Überwachungspflicht des Betriebsrats sind der Unternehmer und die leitenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Betriebes für die Durchführung und Gewährleistung des betrieblichen Arbeitsschutzes verantwortlich.

Zur Überwachung gehört, dass

  • die Arbeitsschutzorganisation den Vorgaben des Arbeitssicherheitsgesetzes (ASiG) und der Unfallverhütungsvorschriften entspricht. Dazu zählen zum Beispiel die Bereitstellung einer Fachkraft für Arbeitssicherheit, eines Betriebsarztes, die Bestellung von Sicherheitsbeauftragten und Ersthelfern sowie die Durchführung von Arbeitsschutzausschusssitzungen.
  • Arbeitsstätten, -mittel und -abläufe sicher gestaltet sind.
  • Gefährdungsbeurteilungen durchgeführt und daraus abgeleitete Schutzmaßnahmen umgesetzt und auf ihre Wirksamkeit überprüft werden.
  • die erforderlichen Betriebsanweisungen an bekannter Stelle vorliegen.
  • Unterweisungen rechtzeitig und regelmäßig durchgeführt werden und sowohl die Beschäftigten diese Verhaltensvorschriften befolgen als auch die Vorgesetzten auf deren Einhaltung achten.
  • die Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen, die die Belange des Arbeitsschutzes regeln, eingehalten werden. Damit der Betriebsrat seiner Überwachungspflicht nachkommen kann, benötigt er zumindest Grundkenntnisse der Arbeitsschutzvorschriften.
  • er die Arbeitsplätze seiner Kolleginnen und Kollegen hinsichtlich möglicher Unfall und Gesundheitsgefahren kennen sollte.
  • er in regelmäßigen Abständen Begehungen durchführen sollte – vor allem in Bereichen des Unternehmens, die er selten oder nie betritt.

Der Betriebsrat sollte Begehungen gemeinsam mit den Sicherheitsbeauftragten, der Fachkraft für Arbeitssicherheit und/oder dem Betriebsarzt durchführen. Er darf den Beschäftigten jedoch keine Anweisungen erteilen; vielmehr kann er sie durch sein eigenes Vorbild und durch Überzeugungsarbeit zu sicherheitsgerechtem Verhalten motivieren.

Information

Damit der Betriebsrat seine Aufgaben wahrnehmen kann, muss der Unternehmer

  • ihn über sämtliche Angelegenheiten, die zu seinem Aufgabenbereich gehören, rechtzeitig und umfassend unterrichten (§ 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG).
  • ihm unverzüglich die den Arbeitsschutz, die Unfallverhütung und den betrieblichen Umweltschutz betreffenden Auflagen und Anordnungen der zuständigen Stellen (staatliche Behörden, Berufsgenossenschaft) mitteilen (§ 89 Abs. 2BetrVG).
  • ihm auf Verlangen die zur Durchführung seiner Aufgaben notwendigen Unterlagen zur Verfügung stellen (§ 80 Abs. 2 Satz 2 BetrVG).

Der Betriebsrat hat das Recht, sich selbst Informationen zu beschaffen. Benötigt er die Unterstützung eines Experten, kann er in Absprache mit dem Arbeitgeber einen solchen hinzuziehen, soweit dies zur ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich ist (§ 80 Abs. 3 BetrVG).

 

Informationen zu Anzeigepflichtigen Arbeitsunfällen

  • Der Betriebsrat ist über alle anzeigepflichtigen Arbeitsunfälle zu informieren. Anzeigepflichtige Arbeitsunfälle hat der Unternehmer der Berufsgenossenschaft schriftlich mit der Unfallanzeige zu melden. Anzeigepflichtig ist ein Arbeitsunfall, wenn er eine mehr als drei Kalendertage dauernde Arbeitsunfähigkeit oder den Tod eines Versicherten zur Folge hat.
  • Der Betriebsrat muss die Unfallanzeigen unterschreiben (§ 193 Abs. 5 SGB VII). Fehlende Unterschriften werden nachträglich von den Unfallversicherungsträgern eingefordert.
  • Der Unternehmer hat ihm von jeder Unfallanzeige eine Durchschrift zu geben (§ 89 Abs. 6 BetrVG). Die Verantwortung für die Richtigkeit der in der Unfallanzeige aufgeführten Angaben bleibt beim Unternehmer.

Informationen zu Berufskrankheitenverfahren

  • Verlangt der Unfallversicherungsträger zur Feststellung, ob eine Berufskrankheit vorliegt, Auskünfte über gefährdende Tätigkeiten von Versicherten, haben die Unternehmer den Betriebsrat über dieses Auskunftsersuchen unverzüglich zu unterrichten (SGB VII § 193 Abs 5).

Information über Vorschläge von Betriebsärzten oder Fachkräften für Arbeitssicherheit

  • Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit haben den Betriebsrat über wichtige Angelegenheiten des Arbeitsschutzes und der Unfallverhütung zu unterrichten (§ 9 Abs. 2 ASiG).
  • Können diese sich über eine arbeitsmedizinische oder sicherheitstechnische Maßnahme mit dem Leiter einer Betriebsstätte nicht verständigen, haben sie die Möglichkeit, ihren Vorschlag unmittelbar dem Unternehmer zu unterbreiten. Dem Betriebsrat müssen sie den Inhalt eines solchen Vorschlags jedoch mitteilen (§ 9 Abs. 2 ASiG). 
  • Wird der Vorschlag auch vom Unternehmer abgelehnt, muss dieser seine Entscheidung den Vorschlagenden schriftlich mitteilen und begründen. Der Unternehmer muss dem Betriebsrat hiervon eine Kopie zukommen lassen (§ 8 Abs. 3 ASiG).

Unterrichtung bei baulichen, technischen oder organisatorischen Veränderungen im Betrieb

  • Der Unternehmer muss den Betriebsrat bei der Planung von Neu-, Um- und Erweiterungsbauten, technischen Anlagen, Arbeitsverfahren, Arbeitsabläufen und Arbeitsplätzen unterrichten und zu Beratungen hinzuziehen. 
  • Die Unterrichtung des Betriebsrats muss so rechtzeitig erfolgen, dass Vorschläge und Bedenken des Betriebsrats bei der Planung berücksichtigt werden können (§ 90 Abs. 1 und 2 BetrVG). 
  • Dabei hat der Unternehmer mit dem Betriebsrat auch die Auswirkungen auf die Beschäftigten, insbesondere auf die Art ihrer Arbeit sowie die sich daraus ergebenden Anforderungen an die Beschäftigten zu beraten (§ 90 Abs. 2 BetrVG).

Antrag auf Ausnahme von einer Unfallverhütungsvorschrift

Plant der Unternehmer, von einer Unfallverhütungsvorschrift abzuweichen, so ist hierfür eine Ausnahmegenehmigung der Berufsgenossenschaft erforderlich. Der Unternehmer muss diese bei der Berufsgenossenschaft schriftlich beantragen. Im Rahmen der Antragstellung muss er die Stellungnahme des Betriebsrats beifügen (§ 14 Abs. 1 DGUV Vorschrift 1). Ein Antrag kann auch eingereicht werden, wenn der Betriebsrat unterrichtet wurde, aber keine Stellungnahme abgegeben hat.

Informationen über Tätigkeiten mit Gefahrstoffen

Aus der Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) ergeben sich zahlreiche Pflichten für den Unternehmer. Die GefStoffV räumt den Beschäftigten und ihrer Vertretung (Betriebsrat) dabei verschiedene Rechte der Einsichtnahme, Information und Beteiligung ein. 

Ein zentrales Thema ist auch hier die Mitbestimmung bei der Gefährdungsbeurteilung. Zur Umsetzung eines ganzheitlichen Präventionsansatzes muss die Gefährdungsbeurteilung der Handhabung von Gefahrstoffen in die Gesamtgefährdungsbeurteilung eingebettet werden. 

Durch unbestimmte Rechtsbegriffe (z. B. geringe Gefährdung, geringe Menge, unmittelbare Nähe, geeignete Bereiche, etc.) und fehlende Detailregelungen der Gefahrstoffverordnung bieten sich dem Arbeitgeber Wahlmöglichkeiten und Ermessensspielräume. Hieraus muss der Betriebsrat seine Mitbestimmungsrechte ableiten.

 

Betriebsbesichtigungen, Besprechungen, Unfalluntersuchungen

  • Der Unternehmer hat den Betriebsrat zu Unfalluntersuchungen, Besichtigungen und Besprechungen mit dem Unfallversicherungsträger und den für den Arbeitsschutz zuständigen Behörden hinzuzuziehen (§ 89 Abs. 2 BetrVG). Je nach Bundesland handelt es sich dabei zum Beispiel um staatliche Ämter für Arbeitsschutz, Gewerbeaufsichtsämter, Bezirksregierungen oder Regierungspräsidien sowie um sonstige in Betracht kommende Stellen wie zum Beispiel Feuerwehr oder Bauaufsicht. 
  • Die Hinzuziehungspflicht gilt auch für Besprechungen mit den im Betrieb ernannten Sicherheitsbeauftragten (§ 89 Abs. 4 BetrVG). 
  • Der Unternehmer hat dem Betriebsrat die Niederschriften über entsprechende Unfalluntersuchungen, Besichtigungen und Besprechungen auszuhändigen (§ 89 Abs. 5 BetrVG).

Mitbestimmung und Mitwirkung

Der Betriebsrat nimmt bei Entscheidungen zur Verbesserung der Sicherheit im Unternehmen maßgeblich Einfluss. Die stärkste Form seiner Beteiligung ist die Mitbestimmung. Sie umfasst das Recht, gleichberechtigt neben dem Arbeitgeber in Fragen des Arbeitsschutzes mitzuentscheiden. Weist der Betriebsrat zum Beispiel auf Unfallquellen im Unternehmen hin oder arbeitet er mit der Berufsgenossenschaft zusammen, handelt es sich um Aufgaben der Mitwirkung.

Bereiche der Mitbestimmung

Betriebliche Regeln zum Arbeitsschutz

  • Der Betriebsrat hat bei Regelungen zur Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften oder der Unfallverhütungsvorschriften mitzubestimmen (§ 87 Abs. 1 Nr. 7 Betriebsverfassungsgesetz, BetrVG). 
  • Kein Recht zur Mitbestimmung besteht, wenn staatliche Arbeitsschutzvorschriften oder berufsgenossenschaftliche Unfallverhütungsvorschriften solche Anforderungen an den Arbeitgeber stellen, die keine Wahlmöglichkeiten bei den Maßnahmen zulassen. 

Sofern der Arbeitgeber bei der Gestaltung von Regelungen also Handlungsspielraum hat, kann der Betriebsrat bei der Ausgestaltung dieses Spielraums mitbestimmen. 

  • Welche Vorschriften dem Arbeitgeber Wahlmöglichkeiten lassen, ist nicht immer eindeutig für alle Beteiligten erkennbar. Unstreitig ist, dass zum Beispiel das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) und die Unfallverhütungsvorschrift »Grundsätze der Prävention« (DGUV-Vorschrift 1) viele Generalklauseln enthalten, die einen Rahmen vorgeben. 
  • Viele dieser Generalklauseln werden jedoch durch nachrangige Vorschriften und Regeln, zum Beispiel Verordnungen, Technische Regeln oder DGUV-Regeln, ausgefüllt beziehungsweise konkretisiert.

Bestellung von Betriebsärzten und Fachkräften für Arbeitssicherheit

Der Arbeitgeber muss sich arbeitsmedizinisch durch einen Betriebsarzt und sicherheitstechnisch durch eine Fachkraft für Arbeitssicherheit beraten lassen. Er kann dabei zwischen verschiedenen Möglichkeiten wählen:

  • Er schließt einen Betreuungsvertrag mit einem freiberuflich tätigen Betriebsarzt und einer freiberuflich tätigen Fachkraft für Arbeitssicherheit oder mit einem überbetrieblichen Dienst ab.
  • Er stellt einen Betriebsarzt und eine Fachkraft für Arbeitssicherheit im Unternehmen ein.
  • Er lässt einen geeigneten Mitarbeiter oder eine geeignete Mitarbeiterin zur Fachkraft für Arbeitssicherheit ausbilden und bestellt einen externen Betriebsarzt. 

Bei der Entscheidung des Arbeitgebers für eine bestimmte Form der Betreuung hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht (Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 10.04.1979, 1 ARB 34/77). 

  • Der Arbeitgeber benötigt die Zustimmung des Betriebsrats, wenn er einen Betriebsarzt oder eine Fachkraft für Arbeitssicherheit im Unternehmen einstellen oder abberufen beziehungsweise einen geeigneten Mitarbeiter oder eine geeignete Mitarbeiterin zur Fachkraft für Arbeitssicherheit ausbilden lassen will. Das Gleiche gilt, wenn er deren Aufgaben erweitern oder einschränken will (§ 9 Abs. 3 ASiG). 
  • Haben sich Arbeitgeber und Betriebsrat auf die Betreuung durch einen freiberuflich tätigen Betriebsarzt, eine freiberufliche Fachkraft für Arbeitssicherheit oder durch einen überbetrieblichen Dienst verständigt, muss der Arbeitgeber den Betriebsrat bei der Auswahl einer konkreten Person oder eines konkreten Dienstes anhören (§ 9 Abs. 3 ASiG).
 

Gefährdungsbeurteilung

Der Arbeitgeber hat durch eine Beurteilung der für die Beschäftigten mit ihrer Arbeit verbundenen Gefährdung zu ermitteln, welche Maßnahmen des Arbeitsschutzes erforderlich sind. Der Betriebsrat hat ein Mitbestimmungsrecht bei der Gefährdungsbeurteilung (Bundesarbeitsgericht, 08.06.2004, 1 ABR 13/03). Dies gilt für alle Vorschriften, die eine Gefährdungsbeurteilung fordern (zum Beispiel nach § 5 ArbSchG) und wenn diese Vorschriften keine zwingenden Vorgaben enthalten, wie die Gefährdungsbeurteilung durchzuführen ist. Das Bundesarbeitsgericht hat mit Beschluss vom 13.08.2019, 1 ABR 6/18 klargestellt, in welchen Fällen eine Mitbestimmung bei der Erstellung einer Gefährdungsbeurteilung erforderlich ist:

  1. Festlegung von Vorgaben zur Durchführung von Gefährdungsbeurteilungen (Hierunter fallen insbesondere Methoden der Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung).
  2. Festlegung der Gleichartigkeit von Arbeitsplätzen.
  3. Festlegung von Wiederholungsfristen für die Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung.
  4. Ausgestaltung der Dokumentation des Ergebnisses der Gefährdungsbeurteilung (Welche Unterlagen sollen in welcher Form aufbewahrt werden).

Keine Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates bestehen danach in folgenden Fällen:

  1. Beurteilung und Festlegung der durchzuführenden erforderlichen Arbeitsschutzmaßnahmen und deren zeitliche Umsetzung (Ausnahmsweise kann jedoch ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates bestehen, wenn eine Gefährdung durch unterschiedliche mögliche Schutzmaßnahmen beseitigt oder reduziert werden kann und es um die Entscheidung geht, welche der möglichen Maßnahmen umgesetzt werden soll).
  2. Kontrolle der Wirksamkeit der festgelegten konkreten Arbeitsschutzmaßnahmen sowie bereits ergriffener Arbeitsschutzmaßnahmen.
  3. Konkrete Beschreibung sowie Erfassung der die Arbeitsplätze betreffenden tatsächlich bestehenden Arbeitsbedingungen.
  4. Ermittlungen und Festlegungen der zu untersuchenden Gefährdungen (Aufgabe des Arbeitgebers ist es, alle denkbaren Gefährdungen, die bei den Tätigkeiten und am Arbeitsplatz auftreten können, zu ermitteln).
  5. Regelungen betreffend die Unterrichtung bzw. Information der Arbeitnehmer über das Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung.

Unterweisung der Beschäftigten

Der Arbeitgeber hat die Pflicht, seine Beschäftigten über Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz während ihrer Arbeitszeit ausreichend und angemessen zu unterweisen. Die Unterweisung muss an die Gefährdungsentwicklung angepasst sein und bei Bedarf regelmäßig wiederholt werden. (§ 12 Abs.1 ArbSchG). 

Der Betriebsrat darf bei der Ausgestaltung der Unterweisung durch betriebliche Regelungen mitbestimmen. Insbesondere gilt es, die Art, den Umfang und die konkreten Inhalte der Unterweisung festzulegen (Bundesarbeitsgericht, DB 2004, S. 2274 ff).

Gestaltung von Arbeitsplätzen, Arbeitsabläufen und Arbeitsumgebung

Werden Arbeitnehmer durch Änderungen der Arbeitsplätze, der Arbeitsabläufe oder der Arbeitsumgebung in besonderer Weise belastet, hat der Betriebsrat nach § 91 BetrVG ein Mitbestimmungsrecht. Voraussetzung dafür ist, dass die Belastungen den gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen über die menschengerechte Gestaltung der Arbeit offensichtlich widersprechen. 

Der Betriebsrat kann in diesen Fällen angemessene Maßnahmen zur Abwendung, Milderung oder zum Ausgleich der Belastung verlangen.

Bereiche der Mitwirkung

Benennung von Sicherheitsbeauftragten

Sicherheitsbeauftragte unterstützen den Unternehmer und die Führungskräfte bei der Durchführung von Maßnahmen zur Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten. Sie sind Ansprechpartner für Mitarbeiter, können deren Anliegen weitervermitteln und sie beraten. 

Die Funktion der Sicherheitsbeauftragten übernehmen Beschäftigte im Betrieb. Der Betriebsrat ist bei ihrer Benennung nach § 22 Absatz 1 Sozialgesetzbuch VII zu beteiligen.

 

Zusammenarbeit mit der Berufsgenossenschaft und mit den Arbeitsschutz-Behörden

Der Betriebsrat hat bei der Verhütung von Unfall- und Gesundheitsgefahren die jeweilige Berufsgenossenschaft, die für den Arbeitsschutz zuständigen Behörden und sonstige in Betracht kommende Stellen durch Anregung, Beratung und Auskunft zu unterstützen und sich für die Durchführung der Vorschriften zum Arbeitsschutz und zur Unfallverhütung im Betrieb einzusetzen (§ 89 Abs. 1 BetrVG). Ebenso sind die genannten Stellen nach § 89 Absatz 2 BetrVG verpflichtet, den Betriebsrat bei allen im Zusammenhang mit dem Arbeitsschutz oder der Unfallverhütung stehenden Fragen hinzuzuziehen.

Dazu gehen die Aufsichtspersonen der Berufsgenossenschaft wie folgt vor:

  • Sie beteiligen den Betriebsrat bei Betriebsbesichtigungen und Unfalluntersuchungen. 
  • Sie geben dem Betriebsrat Gelegenheit, ihnen Mängel auf dem Gebiet des Arbeitsschutzes im Betrieb mitzuteilen. 
  • Dem Betriebsrat räumen sie die Möglichkeit ein, ihnen Vorschläge zur Beseitigung dieser Mängel und für Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit zu unterbreiten. 
  • Sie beraten den Betriebsrat auf dessen Wunsch, unter Hinzuziehung des Unternehmers oder dessen Vertreter, in Fragen des Arbeitsschutzes. 
  • Dem Betriebsrat wird Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben, wenn Ausnahmen von Vorschriften durch den Unternehmer beantragt wurden. Eine Abschrift der Entscheidung wird dem Betriebsrat übermittelt. 
  • Die bei Besichtigungen festgestellten Mängel werden von den Aufsichtspersonen in einem Abschlussgespräch im Anschluss an die Besichtigung mit der Unternehmensleitung oder deren Beauftragten und, soweit Belange des Arbeitsschutzes im Betrieb betroffen sind, mit dem Betriebsrat erörtert. 
  • Dem Betriebsrat lassen sie eine Abschrift zukommen, wenn sie wegen festgestellter Mängel ein Revisionsschreiben an den Betrieb senden. Das Gleiche gilt für sonstige Schreiben an den Unternehmer, die Maßnahmen der Unfallverhütung zum Gegenstand haben.

Auswahl persönlicher Schutzausrüstungen

Der Unternehmer ist verpflichtet, seinen Beschäftigten geeignete persönliche Schutzausrüstungen (PSA) bereitzustellen (§ 2 PSA-Benutzungsverordnung). PSA ist jede Ausrüstung, die dazu bestimmt ist, von einer Person benutzt, getragen oder gehalten zu werden, um sich gegen Gesundheits- und Sicherheitsrisiken zu schützen. Hierunter fallen zum Beispiel Infektionsgefahr, Gefahren für die Haut, Gefahren durch Schnittverletzungen und herabfallende Gegenstände, Fußverletzungen durch Flurförderzeuge, starke Hitze und Kälte, Stromschläge oder Lärm.

Bei der Auswahl und Erprobung von persönlicher Schutzausrüstung (PSA) hat der Betriebsrat ein Mitwirkungsrecht.

Vor der Bereitstellung sind die Beschäftigten anzuhören (§ 29 Abs. 1 DGUV Vorschrift 1). Die Anhörung gibt Aufschluss über individuelle körperliche Voraussetzungen, persönliche Unverträglichkeiten sowie über die Umgebungsbedingungen und Einsatzmöglichkeiten von PSA am Arbeitsplatz.

Beanstandungen und freiwillige Betriebsvereinbarungen

Sind Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten in Gefahr, hat der Betriebsrat alle Beteiligten auf bestehende Mängel und gefährliche Verhaltensweisen hinzuweisen. Neben der gesetzlich vorgesehenen Beteiligung im Arbeitsschutz kann der Betriebsrat freiwillige Betriebsvereinbarungen mit dem Arbeitgeber treffen.

Beanstandungen durch den Betriebsrat

Gefahren für Beschäftigte entstehen zum einen durch Sicherheitsmängel technischer, baulicher und organisatorischer Art, zum anderen durch sicherheitswidriges Verhalten der Beschäftigten selbst. Der Betriebsrat hat in seiner Funktion als »Wächter über den Arbeitsschutz« verschiedene Möglichkeiten, zur Beseitigung von Gefahrenquellen und Missständen beizutragen.

Sicherheitsmängel im Betrieb

Der Betriebsrat hat den Unternehmer beziehungsweise den verantwortlichen Vorgesetzten auf bestehende Mängel und die daraus resultierenden Gefahren aufmerksam zu machen. Dabei ist er beratend und überwachend tätig, besitzt jedoch kein Direktionsrecht. So darf er nicht die Beseitigung der Mängel in eigener Regie veranlassen oder auf Kosten des Unternehmers neue Arbeitsmittel beschaffen. Hat der Betriebsrat Sicherheitsmängel aufgezeigt und werden diese nicht beseitigt, steht ihm ein Bündel von Maßnahmen offen:

 

Gründe erfragen: Zunächst sollte sich der Betriebsrat von dem verantwortlichen Vorgesetzten die Gründe für die Nichtbeseitigung erläutern lassen. Schriftliche Stellungnahme anfordern: Seiner Anfrage kann er mehr Nachdruck verleihen, wenn er diese schriftlich mit der Bitte um eine ebenfalls schriftliche Stellungnahme wiederholt.

Experten einschalten: Hat seine Anfrage nicht den gewünschten Erfolg, sollte er spätestens jetzt die Fachkraft für Arbeitssicherheit und/oder den Betriebsarzt informieren, mit der Bitte, in der Angelegenheit tätig zu werden.

Mängel in den Arbeitsschutzausschuss einbringen: Sicherheitsmängel sollten in die Sitzung des Arbeitsschutzausschusses eingebracht und erörtert werden. Erst wenn sich die oben genannten Maßnahmen als wirkungslos erwiesen haben, sollte der Betriebsrat die Berufsgenossenschaft oder die staatlichen Arbeitsschutzbehörden über die bestehenden Sicherheitsmängel unterrichten. Dieses Recht wird jedem Beschäftigten und damit auch ihm ausdrücklich im Arbeitsschutzgesetz (§ 17 Abs. 2 ArbSchG) eingeräumt.

Sicherheitswidriges Verhalten von Beschäftigten

Beschäftigte tragen nicht nur für sich selbst Verantwortung, sondern auch für andere Beschäftigte, die durch ihr Tun oder Unterlassen möglicherweise gefährdet werden. Der Betriebsrat erfährt häufig auch von diesen riskanten Verhaltensweisen im Unternehmen. Folgende Maßnahmen kommen dann in Betracht:

Gespräch führen: Der Betriebsrat kann Beschäftigte, die sich sicherheitswidrig verhalten, auf kollegiale Weise

  • auf ihr Verhalten ansprechen, 
  • ihnen die möglichen Unfall und Gesundheitsgefahren verdeutlichen und 
  • sie daran erinnern, dass Verhaltensweisen, die Sicherheit und Gesundheit gefährden, im Interesse eines ungestörten Geschäftsbetriebs nicht erwünscht sind. 
  • Kenntnisse über das Unfallgeschehen und die Unfallabläufe im Unternehmen liefern für die Gespräche hilfreiche Argumente. Der Betriebsrat darf seinen Kolleginnen und Kollegen jedoch keine Anweisungen erteilen. 
  • Handeln leitende Beschäftigte nicht sicherheitskonform, sollte der Betriebsrat sie im Gespräch auf ihre Vorbildfunktion hinweisen. 
  • Vorgesetzte informieren: Führen Gespräche nicht zu einer Verhaltensänderung, bleibt dem Betriebsrat nur die Möglichkeit, die jeweiligen Vorgesetzten über die Verstöße zu informieren. Sie sind verpflichtet, sicherheitsgerechtes Verhalten bei ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern durchzusetzen.

Generell gilt: Dem Betriebsrat obliegt zwar eine Überwachungspflicht, die Verantwortung für den Arbeitsschutz verbleibt jedoch beim Unternehmer und den betrieblichen Vorgesetzten.

Gründe für das Fehlverhalten erörtern: Für alle Beteiligten ist es wichtig, die Ursachen für das Fehlverhalten aufzuzeigen und zu erörtern. Wird das Fehlverhalten damit begründet, dass die Beschäftigten aufgrund technischer, baulicher oder organisatorischer Mängel im Betrieb nicht anders handeln könnten, sollte sich der Betriebsrat alle Hintergründe erläutern lassen. Gemeinsam mit den Beschäftigten und dem verantwortlichen Vorgesetzten kann dann nach Lösungen gesucht werden, mit denen sicherheitswidrige Arbeitsweisen zukünftig zu vermeiden sind.

Betriebsanweisungen einsetzen: Betriebsanweisungen sind ein wichtiges Instrument, um sicherheitsgerechte Arbeitsweisen zu regeln. Dabei handelt es sich um verbindliche Vorgaben des Unternehmers, wie zum Beispiel bestimmte Arbeitsverfahren durchzuführen oder Arbeitsmittel und Gefahrstoffe zu verwenden sind. Der Betriebsrat hat bei der Ausgestaltung von Betriebsanweisungen ein Mitbestimmungsrecht (§ 87 Abs. 1 BetrVG).

Vorgesetzte sind verpflichtet, die Beschäftigten entsprechend den Betriebsanweisungen regelmäßig zu unterweisen und das geforderte Verhalten durch Stichproben zu überprüfen. Die Unterweisung muss an die Gefährdungsentwicklung angepasst sein und erforderlichenfalls regelmäßig wiederholt werden, mindestens aber einmal jährlich erfolgen. Sie muss dokumentiert werden (§ 12 Abs.1 ArbSchG und § 4 Abs. 1 DGUV-Vorschrift 1).

 

Freiwillige Betriebsvereinbarungen

Gemäß § 88 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) kann der Betriebsrat mit dem Arbeitgeber freiwillige Betriebsvereinbarungen über zusätzliche Maßnahmen zur Verhütung von Arbeitsunfällen und Gesundheitsschädigungen treffen. Diese gelten als Ergänzungen zu rechtlichen Grundlagen, dürfen jedoch Gesetze, Verordnungen und Unfallverhütungsvorschriften nicht unterschreiten oder gar außer Kraft setzen.

Betriebsvereinbarungen sind von Betriebsrat und Arbeitgeber gemeinsam zu beschließen und schriftlich niederzulegen. Betriebsvereinbarungen sind ebenso wie Gesetze unmittelbar rechtsverbindlich.

Praxisbeispiele für Betriebsvereinbarungen im Arbeitsschutz

  • Alkoholkonsum: Sinnvoll kann eine Betriebsvereinbarung zum Beispiel zum Umgang mit Alkohol im Betrieb sein. Denn ein generelles Alkoholverbot am Arbeitsplatz ist in Vorschriften und Gesetzen nicht gefordert. 
  • Geeignetes Schuhwerk: Das Tragen von Sicherheitsschuhen wird in der Gefährdungsbeurteilung je nach Art der Gefährdung festgelegt. Darüber hinaus kann in einer Betriebsvereinbarung festgelegt werden, dass alle Beschäftigten geeignete Schuhe bei der Arbeit tragen müssen. Durch das Tragen von ungeeigneten Schuhen (zum Beispiel Sandalen) werden oftmals Fußverletzungen sowie Stolper-, Rutsch- und Sturzunfälle verursacht. So kann zum Beispiel festgelegt werden, welche Art von Schuhwerk für die jeweilige Arbeit geeignet ist.
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