GP Risikoeinschätzung

Mitarbeiter sollten abschätzen können, welches Risiko von Patienten und Bewohnern ausgeht. Dazu bedarf es vor allem einer bewussten Wahrnehmung, Wissen um bestimmte Krankheitsbilder, deren Symptome und Erfahrung.  Ein erhöhtes Risiko besteht beispielsweise bei Patienten, die gereizt und feindselig reagieren, mit Gewalt drohen, erregt und unruhig sind, deren verbale Lautstärke zunimmt oder aus deren Biografie frühere aggressive Verhaltensweisen bekannt sind. 

Auch Patienten oder Bewohner, die sich ungerecht behandelt und in die Enge getrieben fühlen oder unfreiwillig in Behandlung sind, können eine höhere Bereitschaft zu aggressivem Verhalten zeigen. Dies gilt ebenfalls für Personen, die beispielsweise unter Drogeneinfluss stehen, Wahnvorstellungen haben oder an Demenz leiden. Wichtig: Nur selten ist das aggressive Verhalten ausschließlich auf das Krankheitsbild zurückzuführen, sondern entsteht im Zusammenhang zwischen Person, Krankheit und sozialen Umgebungsfaktoren.

Dass bestimmte Krankheitsbilder mit einem höheren Aggressionsrisiko verbunden sind, ist unstrittig. Zu diesen Krankheitsbildern gehört zunächst und am häufigsten die Alkohol- und Drogenintoxikation. Neueren Untersuchungen zufolge ist die Trunkenheit oder Intoxikation nicht nur mit einem besonderen Aggressionsrisiko behaftet, sondern kommt auch in der Anzahl deutlich häufiger vor als andere Risikozustände wie Verwirrtheit oder psychotisches Erleben – Trunkenheit ist eben ein nicht seltenes Alltagsphänomen.

Daneben spielen die schon angesprochenen Verwirrtheitszustände, beispielsweise auf dem Hintergrund einer Demenz oder eines postoperativen Durchgangssyndroms, eine immer häufigere Rolle. Psychotisches Erleben mit aggressivem Verhalten, etwa bei einer Schizophrenie, kommt eher in psychiatrischen Einrichtungen vor. 

Aggressive Situationen – dessen sollte man sich immer bewusst sein – entstehen zumeist aus einer Kombination von psychischen Problemen mit situativen Auslösern.

Oftmals verkennen betrunkene, verwirrte oder psychotische Patienten die Situation oder verweigern vom Personal als notwendig erachtete medizinisch-pflegerische Maßnahmen. Eine Möglichkeit der Deeskalation besteht in der Vermeidung bzw. der kommunikativen Vermittlung der situativen Auslöser. Eine drohende Eskalation ist in vielen Fällen am Verhalten des Patienten oder Bewohners ablesbar. Warnzeichen für einen Übergriff können zum Beispiel sein, wenn sich Patienten oder Bewohner:

  • bereits früher aggressiv oder gewalttätig verhalten haben,
  • unter Demenz, Delirium, Schädel-Hirn-Verletzungen, Hypoglykämie etc. leiden,
  • drogen- oder alkoholabhängig sind und/oder unter Entzug stehen,
  • übermüdet oder überreizt sind,
  • Artikulationsstörungen zeigen,
  • extrem angespannt oder ängstlich erscheinen,
  • unruhig, verwirrt oder desorientiert wirken,
  • laut und aggressiv sprechen,
  • eine aggressive Grundhaltung einnehmen und/oder
  • Zwangsmaßnahmen ausgesetzt sind.

Wenn beispielsweise offen Drohungen ausgestoßen werden, wenn die Lautstärke von Äußerungen zunimmt oder wenn Gegenstände der Einrichtung zerstört werden, dann steigt die Wahrscheinlichkeit von Aggressionen gegen Personen ebenfalls. Für die Risikoabschätzung ist es grundsätzlich unverzichtbar, sich die Bedürfnisse und / oder das Erleben des Patienten oder Bewohners bewusst zu machen. Darauf aufbauend sollte abgeschätzt werden, ob es von Seiten der Einrichtung Möglichkeiten gibt, die Situation zu deeskalieren (beispielsweise durch das zeitliche Verschieben einer Maßnahme oder durch ein anderes Entgegenkommen gegenüber dem Patienten).

Wenn irgend möglich, sollte eine Risikoabschätzung von mehreren Beteiligten vorgenommen werden. Mehrere Personen können eine Situation differenzierter beobachten und einschätzen als eine Einzelperson.

Typische Situationen, bei denen es zu Übergriffen kommen kann, sind beispielsweise:

  • Hilfe bei den Aktivitäten des täglichen Lebens,
  • Durchführen von Zwangsmaßnahmen,
  • Verwehren oder Zurückweisen von Bedürfnissen,
  • Pflegetätigkeiten bei Schmerzpatienten (Verbandwechsel, Spritzen),
  • lange Wartezeiten in Aufnahmebereichen,
  • mangelnde Informationen über weitere Behandlung.


Der hier verwendeten Texte und Medien wurden aus der DVD „Risiko Übergriff – Konfliktmanagement im Gesundheitsdienst“ (Stand: 2010) entnommen.

Webcode: w1564