In einer Notaufnahme befinden sich Patientinnen und Patienten in Ausnahmesituationen sowie mit multiplen Problemlagen und Krankheitsbildern. Mitarbeitende in der Notaufnahme erleben oftmals verbale Übergriffe und Beleidigungen, die von Patientinnen und Patienten ausgehen, und sind Beschimpfungen, sexuellen Übergriffen oder körperlichen Angriffen in unterschiedlicher Intensität ausgesetzt. Dadurch können psychische und emotionale Belastungen entstehen, die eine Gefährdung für die eigene Gesundheit darstellen. Um die psychischen Gefährdungen zu ermitteln und zu bewerten, sind alle Arbeitgeber nach dem Arbeitsschutzgesetz verpflichtet, auch zu dieser Gefährdungsart eine Gefährdungsbeurteilung durchzuführen.
In einer Studie der BGW mit dem Universitätskrankenhaus Hamburg-Eppendorf gaben über die Hälfte der Befragten an, körperliche Aggression im Arbeitsalltag erlebt zu haben. Etwa vier Fünftel der Befragten gaben an, verbale Aggression am Arbeitsplatz erlebt zu haben. Wo die persönliche Toleranzgrenze liegt und welche Worte, Gesten und Handlungen als unerwünscht und belästigend empfunden werden, wird durch die jeweilige betroffene Person selbst entschieden und ist nicht durch Vorgesetzte und Kolleginnen und Kollegen zu bewerten.
Im Notfall ist der Notfallplan anzuwenden. Dieser enthält die zu ergreifenden Maßnahmen und die Namen und Telefonnummern wichtiger Ansprechpersonen.
Anhang 7 - Notfallplan zu finden in:
Gewalt und Aggression gegen Beschäftigte in Betreuungsberufen, BGW 08-00-070 / TP-PUGA
Welche Gründe führen zu aggressivem Verhalten?
Wenn Personen sich in einer Ausnahmesituation befinden, wie in einer Notfall-Ambulanz, oder bei medizinischen Notfällen kann sich durch eine falsche Geste oder ein falsches Wort die angesammelte Aggression in Form verbaler oder körperlicher Gewalt entladen. Die Gründe, weshalb Patientinnen und Patienten ein aggressives Verhalten zeigen, sind vielfältig und individuell, wie die folgende Übersicht zeigt.
Gründe und Zusammenhänge von Aggressivität bei Patientinnen und Patienten sind beispielsweise:
- Psychiatrische oder neurologische Grunderkrankungen,
- Suchtmitteleinfluss, wie z. B. durch Drogen, Alkohol oder Medikamente,
- Angst, Nervosität, Ungeduld, Verzweiflung, Schmerzen sowie
- Anspruchsdenken und Fokussierung auf die eigene Notsituation,
- Kulturunterschiede: mangelnde Anpassung und Integration, fehlende interkulturelle Bewusstheit.
Kliniken – Mindeststandard für die Gewaltprävention in der Notaufnahme (BGW)
Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in Notaufnahmen sind häufig von verbaler, körperlicher oder sexualisierter Gewalt betroffen. Die Ursachen liegen in den besonderen Rahmenbedingungen der Notaufnahme.
Welche Folgen haben aggressives Verhalten von Patientinnen und Patienten?
Die sichtbaren Folgen der körperlichen Übergriffe zeigen sich häufig in Kratz- oder Bisswunden, Knochenbrüchen oder einer Gehirnerschütterung. Dadurch entsteht ein erhöhtes Infektionsrisiko. Die unsichtbaren psychischen Folgen, die durch eine verbale und/oder körperliche Gewalt entstehen, sind vielfach unterschätzt. Betroffene leiden z. B. an Bluthochdruck, Schlaf- und Konzentrationsstörungen bis hin zu einer sogenannten posttraumatischen Belastungsstörung.
Nach einem Gewalterlebnis ist die seelische Unterstützung durch Vorgesetzte und Kolleginnen und Kollegen enorm wichtig. Im Krankenhaus können psychosozial geschulte Erstbetreuerinnen und Erstbetreuer für die betroffene Person als Lotsinnen und Lotsen fungieren und sie durch diese Situation begleiten.
Ein Gewaltereignis im Rahmen der beruflichen Tätigkeit mit körperlichen und/oder seelischen Folgeschäden ist ein Arbeitsunfall. Jeder derartige Übergriff sollte in der Einrichtung dokumentiert und durch den Arbeitgeber dem zuständigen Unfallversicherungsträger über eine Unfallanzeige gemeldet werden. Der Vorfall sollte auch in der Krankenakte der Patientin bzw. des Patienten vermerkt werden, um die potenzielle Gefahr zukünftig besser einschätzen zu können.
Was sind die Handlungsfelder der Prävention?
Um mit Aggressionen und Gewalt professionell umzugehen, sind weitreichende Hilfs- und Präventionsmaßnahmen erforderlich. Es ist entscheidend, dass ein Problembewusstsein für potenzielle Übergriffe durch Patientinnen und Patienten in der gesamten Einrichtung und über alle Hierarchieebenen hinweg geschaffen wird. Dazu zählt beispielsweise, dass im Leitbild der Schutz der Beschäftigten vor Gewalt und Aggression bekräftigt wird.
Wenn über die Problematik offen kommuniziert wird, können betroffene Mitarbeitende ohne Ängste und Schamgefühle über das Erlebte sprechen. Daher nehmen Führungskräfte in der Gewaltprävention eine besondere, verantwortungsvolle Rolle ein, da sie nach einem entsprechenden Ereignis die ersten Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner für ihre Mitarbeitenden sind.
Welche Möglichkeiten gibt es für mehr Schutz?
Beispiele für technische Schutzmaßnahmen
- Offene und transparente Stationsstützpunkte, die mit einer verglasten Empfangstheke im oberen Bereich eine Barriere schaffen und das Eindringen von Patientinnen und Patienten in den Arbeitsbereich verhindern
- Angenehme Wartezonen mit Gewährleistung der Intimsphäre
- Wenn möglich Tageslicht, ansonsten ausreichende künstliche Beleuchtung gewährleisten
- Auch Flurbereiche ausreichend ausleuchten
- Gut erreichbare und ausreichende Fluchtmöglichkeiten sowie geeignete Alarmierungssysteme und -pläne
- Zutrittskontrollsysteme einrichten, z. B. durch Videoüberwachung
Beispiele für organisatorische Schutzmaßnahmen
- Personennotrufsysteme in gefährdeten Bereichen errichten
- Gesprächsmöglichkeiten für Mitarbeitende nach Übergriffen bereitstellen, wie z. B. Supervision, psychologische Betreuung
- Einheitliches Vorgehen zur Dokumentation und Evaluation von eskalierenden Situationen
- Alleinarbeitsplätze vermeiden bzw. zusätzlich absichern
Beispiele für personenbezogene Schutzmaßnahmen
- Qualifizierung des Personals zum Umgang mit aggressiven Patientinnen und Patienten, z. B. durch Deeskalationstraining, Verbesserung der verbalen und nonverbalen Kommunikation, der Wahrnehmung und Bewältigung von Gefahrensituationen und der Schutztechniken. Dazu eignen sich Methoden wie Simulationen oder (Gruppen-)Übungen.
Hier finden Sie weitere Informationen:
- Die BGW vermittelt in der Broschüre Gewalt und Aggression gegen Beschäftigte in Betreuungsberufen unter anderem Deeskalationsstrategien, Ratschläge zum Verhalten bei Akutgefahr und Hilfe für die Betroffenen nach einem Übergriff.
- Handlungs- und Praxishilfen, Medien und Informationen zu Fachtagungen zum Thema Gewaltprävention sind auf folgender Webseite abrufbar: Unfallkasse Nordrhein-Westfalen, Gesundheitsdienstportal - Gewaltprävention.In der Broschüre des Bundesverbands der Unfallkassen zu traumatisierenden Ereignissen in Gesundheitsberufen finden sich u. a. Möglichkeiten der Vorbeugung bei einem aggressiven Ereignis.
- Hilfe nach Extremerlebnissen
Literaturverzeichnis
- Schieron, Martin (2015). Gewaltprävention im Krankenhaus. Das Krankenhaus, 7, 679-681.
- UK NRW, Gesundheitsdienstportal. Arbeitsgruppe „Gewaltprävention im Gesundheitsdienst“ – „Personenbezogene Schutzmaßnahmen“, 2009
- UK NRW, Gesundheitsdienstportal. Arbeitsgruppe „Gewaltprävention im Gesundheitsdienst“ – „Räumliches Umfeld“, 2009
- UK NRW, Gesundheitsdienstportal. Arbeitsgruppe „Gewaltprävention im Gesundheitsdienst“ – „Risiko Infektion“, 2009