Mobbing
Stand: 07/2019

V Mobbing

Anfang der 80er-Jahre erforschte der schwedisch-deutsche Arbeitswissenschaftler Heinz Leymann das Phänomen eines schnell eskalierenden Konflikttyps am Arbeitsplatz. In Anlehnung an Forschungen aus dem Schulbereich übertrug Leymann den Begriff Mobbing auf Arbeitssituationen und beschrieb typische Verlaufsformen und Mobbinghandlungen.

Der Begriff „Mob“ kommt aus dem Englischen und bedeutet so viel wie „Meute“ oder „Pöbel“, und damit ist bildlich gesprochen die Hetzjagd auf eine Person durch eine andere oder mehrere Personen gemeint. Man spricht auch synonym von „Psychoterror“, „Intrigen“, „Schikanen“ oder „Krieg“ unter Kollegen.

Versuche, den Begrifft eindeutig zu definieren, scheiterten immer wieder an inhaltlichen Unschärfen. Nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts in Erfurt seien die Definitionen unnötig kompliziert und keine zuverlässige Hilfe bei der Rechtsanwendung. Das Bundesarbeitsgerichtes hat daher im Jahr 2007 entschieden, dass Mobbingdefinitionen nicht mehr angewendet werden.

Wer es rechtlich richtigmachen will, muss sich stattdessen an einem neuen Begriff des Bundesarbeitsgerichts orientieren. Mobbing fällt seitdem unter den Begriff „rechtswidriges Gesamtverhalten“. Die Gerichte müssen seitdem die Einzelakten sorgfältig bewerten, statt nur zu diskutieren, ob „systematisches Mobbing“ vorliegt. In der Gesamtschau ist dann zu klären, ob Teilaspekte zusammengenommen als rechtlich verbotene Verletzungen der Persönlichkeit oder der Gesundheit zu werten sind. Dieses Vorgehen soll den Rechtsschutz von Mobbingopfern erweitern und auf eine klarere Rechtsgrundlage stellen.

Mobbinghandlungen und –strategien

Mobbing ist kein Phänomen, das nur in betrieblichen Einzelfällen auftritt. Die Zahlen aus dem Mobbing-Report der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) aus dem Jahr 2002 belegen, dass in Deutschland rund 1,5 Millionen Beschäftigte Tag für Tag an ihrem Arbeitsplatz gemobbt werden. Jeder neunte Arbeitnehmer wird im Laufe seines Berufslebens mindestens einmal Opfer von dauerhaften Benachteiligungen, Schikanen und Ausgrenzung.

Die einzelnen Mobbinghandlungen kann man fünf Bereichen zuordnen:

  1. Angriffe auf die Qualität der Berufssituation
    Beispiele: Zuweisung sinnloser oder kränkender Aufgaben oder Nichtzuweisung von Aufgaben, häufiges und unnötiges Aufmerksammachen auf Fehler, Störung der Arbeit
  2. Angriffe auf die Gesundheit
    Beispiele: Androhung körperlicher Gewalt, sexuelle Handgreiflichkeiten, Zufügung eines physischen Schadens, z. B. zu Hause oder am Arbeitsplatz des Betroffenen
  3. Angriffe auf die sozialen Beziehungen
    Beispiele: Ignorieren des Betroffenen, Abgrenzung von Kollegen durch räumliche Trennung
  4. Angriffe auf das soziale Ansehen
    Beispiele: Verbreitung von Gerüchten, Lustigmachen über das Privatleben oder berufliche Situationen, Infragestellen von Entscheidungen oder Äußerungen des Betroffenen
  5. Angriffe auf die Möglichkeit, sich mitzuteilen
    Beispiele: Kontaktverweigerung durch abwertende Blicke oder Gesten, ständige Kritik an der Arbeit

Mögliche Mobbingursachen im Gesundheitswesen

  • Hoher Zeitdruck
  • Starre Hierarchien mit unsinnigen Arbeitsanweisungen (z. B. zu ausführliche Dokumentation)
  • Unklare Aufgabenverteilung
  • Schlechter Informationsfluss
  • Massive Einsparungen
  • Hohe Verantwortung bei geringem Handlungsspielraum
  • Einsatz unqualifizierter Arbeitskräfte
  • Unterbezahlung
  • Mängel im Führungsverhalten (z. B. fehlende Gesprächsbereitschaft, mangelnde Konfliktlösekompetenz und schlechtes Informationsmanagement)

Mögliche personelle Ursachen

  • Besondere persönliche Merkmale (z. B. Behinderung, Nationalität, auffällige Kleidung oder auffälliges Verhalten)
  • Einzigartigkeit (einziger Mann in einem typischen Frauenberuf oder umgekehrt, Andersdenkende, o. Ä.)
  • Berufsanfänger oder neue Mitarbeiter, die sich in einem bestehenden Team behaupten müssen und aus Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes schweigen
  • Besonders ehrgeizige oder erfolgreiche Mitarbeiter ziehen Neid auf sich

Man sollte allerdings vorsichtig bei einer allgemeinen Einstufung Betroffener vorgehen, da Wissenschaftler im Jahr 2002 belegt haben, dass sowohl Menschen, die zu Ängstlichkeit und Unsicherheit neigen, als auch solche, die wissbegierig, offen und unabhängig in ihrer Meinung sind, Opfer von Mobbinghandlungen werden können. Es gibt also keine Personengruppe, die man generell als Mobbing-Opfer einordnen kann.

Mobbingfolgen

Mobbingbetroffene erleben infolge dieser Handlungen häufig eine wesentliche Beeinträchtigung des Wohlbefindens und der Gesundheit. Am häufigsten sind folgende psychosomatische Beschwerden:

  • Kopf- und Nackenschmerzen
  • Schlafstörungen oder Albträume
  • Depressive Verstimmungen
  • Bluthochdruck
  • Magen- und Darmprobleme
  • Schwächung des Immunsystems

Dazu kommen ein Gefühl von Demotivation, Konzentrationsprobleme, Leistungs- und Denkblockaden, Häufung von Fehlern und innere Kündigung.

  • Die Folgen für die Betriebe sind sinkende Leistungen der Mobbingbetroffenen und Verschlechterung des Betriebsklimas. Oft sind der Einsatz von Vertretungen und Neueinstellungen notwendig, da Betroffene bei der Arbeit ausfallen.

Exakte Berechnungen gibt es u. a. aufgrund der hohen Dunkelziffer hierzu allerdings noch nicht.


Handlungsmöglichkeiten für die Organisation

  • Mitarbeiter und Führungskräfte systematisch für Mobbingprozesse sensibilisieren:

    Beispiel: aktive Aufklärung im Rahmen von Betriebsveranstaltungen, internen Veröffentlichungen oder Aushängen, im Intranet oder in Form von speziellen Mobbingaktionen (z. B. Einladung eines Referenten zum Thema)

  • Kontaktstelle für Betroffene im Betrieb einrichten:
    z. B. durch die Bestellung eines Mobbing- oder Konfliktbeauftragten oder sozialen Ansprechpartners im Betrieb
  • Konfliktlösekompetenzen vermitteln und fördern:
    z. B. durch Kommunikationstrainings oder Anti-Stress-Programme
  • Mitarbeitergespräche einführen:
    Regelmäßige Gespräche zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern fördern die frühzeitige Aufdeckung von möglichen Konflikten
  • Mitarbeiter-Befragungen zum Thema Mobbing durchführen:
    Es sollte allerdings nicht bei der Befragung bleiben, sondern es muss gewährleistet sein, dass anschließend auch Hilfestellungen zur Konfliktlösung vorhanden sind (z. B. Gesprächsangebote, Möglichkeit zur externen Beratung).
  • Qualitäts- und Gesundheitszirkel einrichten:
    Die Durchführung solcher gesundheitsfördernder Maßnahmen wirken sich positiv auf das Betriebsklima aus.
  • Im Rahmen von Teamentwicklungsmaßnahmen eine offene Streit- und Kommunikationskultur etablieren
  • Schlichtungsmodelle einführen und ein Beschwerdewesen einrichten
  • Eine Betriebsvereinbarung gegen Mobbing installieren
  • Adressen von Anlaufstellen zur Mobbingberatung weitergeben

Handlungsmöglichkeiten für Betroffene

  • Situation analysieren
    Bei Verdacht auf Mobbing sollte zuerst die Situation genau beobachtet und analysiert werden.
  • Mobbing-Tagebuch führen
    Konkrete schriftliche Einträge können ggf. später als Grundlage für Gespräche dienen und verdeutlichen, ob es sich tatsächlich um Mobbing handelt.
  • Selbstbild reflektieren
    Ein Verstoß gegen ungeschriebene Gesetze oder Missachtung von Gruppennormen kann zu Ausgrenzung und Ablehnung führen. Auch ein unsicheres oder zu ehrgeiziges Auftreten kann bei den Kollegen auf Widerstand stoßen.
  • Das Gespräch mit dem Mobber suchen
    Schwelende Konflikte sollten am besten aktiv und lösungsorientiert angegangen werden. Die Frage nach dem „Warum“ ist meistens wenig hilfreich. Besser ist die Frage nach sinnvollen Lösungen und Veränderungen für die Zukunft.
  • Personalverantwortliche und Betriebsrat aufsuchen
    Zu diesen Gesprächen sollte unbedingt das Mobbing-Tagebuch hinzugezogen werden. Ohne Grundlage ist Mobbing schwer zu belegen.
  • Beratungsstellen kontaktieren
    Beratung und Hilfe von unabhängigen Stellen geben Sicherheit und soziale Unterstützung.
  • Rechtsbeistand aufsuchen
    Wenn alle eigenen Versuche, die Situation zu ändern, scheitern, kann ein Anwalt für Arbeitsrecht juristische Wege einleiten.

Quellen


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